Die "Liller Kriegszeitung" 1914/15

 

Ein Ehrentag 

Aus dem Briefe eines Teilnehmers an dem siegreichen Gefecht unseres inzwischen der englischen Übermacht erlegenen ostasiatischen Kreuzergeschwaders an der südamerikanischen Küste

Der 1. November ist für uns ein Ehrentag gewesen. Wir haben unsere Feuertaufe erhalten und dabei einen schönen Sieg errungen. Auf 37 Grad südlicher Breite haben wir 18 Kilometer von der Insel Santa Maria die Engländer getroffen. Du kannst Dir denken, wie gross die Begeisterung bei uns war, als ganz plötzlich am Sonntag Nachmittag auf der Scharnhorst das Signal gehisst wurde: "Klar Schiff zum Gefecht". Man sah am Horizont nur zwei Rauchwolken aufsteigen, die zunächst von uns für Handelsdampfer gehalten wurden. Scharnhorst, die etwas näher herausstand, erkannte aber in ihnen den englischen Panzerkreuzer Monmouth und den Hilfskreuzer Otranto. Wir gingen nun mit der äussersten Kraft auf die Feinde zu, die kehrt machten und sich auf die nachfolgenden Kreuzer Goodhope und Glasgow zurückzogen. Wir waren drei gegen vier, denn die beiden kleinen Kreuzer standen weiter nach der Küste zu, so dass ausser den beiden grossen Kreuzern nur Leipzig in den Kampf eingreifen konnte. Das Feuer wurde um 6 Uhr 34 Minuten eröffnet. Gleich am Anfang hatte ich das Gefühl, dass wir siegen müssten; dass es uns aber dabei so gut gehen würde, hätte ich nicht zu hoffen gewagt. Scharnhorst beschoss das englische Flaggschiff Goodhope, wir den Kreuzer Monmouth und Leipzig mit der inzwischen angekommenen Dresden die beiden anderen Schiffe. Kurz nach Beginn des Gefechts schor die Otranto aus, und auf dem englischen Flaggschiff entstand ein grosser Brand. Auf der Monmouth schienen unsere Geschosse grosse Verheerungen anzurichten, da sie nur achtern schoss. Gegen 7 Uhr war es leider so dunkel, dass wir nur nach dem Feuerschein der brennenden Schiffe schiessen konnten. Um 7 Uhr 15 Minuten erfolgte auf dem englischen Flaggschiff eine gewaltige Explosion. Darauf stellten wir das Feuer ein, denn es war nichts mehr zu sehen. Ob das Schiff gesunken ist, konnten wir nicht feststellen, wir haben aber nichts mehr von ihm gesehen. Die Monmouth ist gekentert und mit ihrer 600 Mann starken Besatzung untergegangen. Ein Rettungsversuch war ausgeschlossen, da die ausserordentlich schwere See ein Aussetzen von Booten unmöglich machte. Ausserdem war es stockdunkel und wir mussten einen erneuten Angriff der Glasgow fürchten, die in der Dunkelheit entkommen war. Und nun kommt das fast Unglaubliche: als wir uns besahen, hatten wir drei Treffer erhalten, wovon zwei gegen den Panzer gänzlich schadlos gegangen waren, während eine Granate im Vorschiff explodiert ist, wobei ein in der Nähe befindlicher Heizer leichte Verbrennungen an der Brust davongetragen hat. Also bei uns ein Leichtverwundeter, das Schiff unbeschädigt; und dann kamen die Meldungen von den anderen Schiffen. Scharnhorst ein Treffer im Vorderschiff, der nicht explodiert ist, keine Verwundeten oder Toten, die kleinen Kreuzer ohne jede Beschädigung. Du kannst Dir die Begeisterung vorstellen. Die Engländer haben schweinemässig geschossen! Allerdings war auch in dem Seegang sehr schwer zu schiessen. Ja, das war nun meine erste Seeschlacht. Nun haben wir uns zum ersten Male gezeigt seit dem Kriege, denn auf unserer Fahrt über den Stillen Ozean haben wir nichts gesehen. Drei Monate mit ziemlich viel Anstrengungen und Entbehrungen liegen hinter uns. Was nun die Zukunft bringen wird, weiss man ja nicht, hoffentlich Gutes !

Frank Aschmann,
Leutnant zur See. S. M. S. "Gneisenau".

 

Die "Liller Kriegszeitung" 1914-1917

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